Karate ( japan.: Kara = leer, Te = Hand ) ist eine fernöstliche Kampfkunst, die waffenlose Art des Kampfes,
bei der der Körper für natürliche Abwehr- und Angriffstechniken geschult wird.


 


Im Karate werden sämtliche Gliedmaßen für Abwehr und Angriff benutzt. Fäuste, Handkanten, Finger, Ellenbogen, Knie und Füße kommen wirkungsvoll zum Einsatz. Beim Training werden auch die stärksten Angriffe kurz vor dem Körperkontakt abgebremst und arretiert. In allen Übungsformen darf kein Angriff wirklich mit Vollkontakt zuende geführt werden. Jeder Angriff muß zwar mit voller Kraft durchgeführt, aber wenige Zentimeter vor dem Zielpunkt „arretiert“ werden. Das fordert ein sicheres Auge und höchste Präzision bei allen Körperbewegungen. 

Eine besondere Bedeutung kommt dem Karate als Körperschule bei, da neben einem gleichmäßigen Entwickeln aller Muskeln eine überduchschnittliche Gelenkigkeit und Reaktionfähigkeit entwickelt wird. Man findet im Karate ein hervorragendes Mittel zur Schulung von Körper und Geist. Karate ist eines der wirksamsten Selbstverteidigungssysteme.



Wesen und Elemente des Karatesports

Karate wurde Ende der 60./Anfang der 70.Jahre des 20.Jahrhundert in Europa als äußerst harte Art der Selbstverteidigung bekannt. Insbesondere durch Film und Fernsehen wurde diese fernöstliche Kampfsportart als äußerst brutal hingestellt, und die Anfänger dieser Sportart kamen in den Ruf, eine Art von Schlägertypen zu sein. Beeinflusst wurde diese öffentliche Meinung durch Demonstrationen, bei welchen das Zerschlagen harter Gegenstände durch die Handkante dominierte.
In Wirklichkeit erzieht die harte körperliche und geistige Selbstdisziplin eines langjährigen Trainings den Karateka zu einem weitgehend ausgeglichenen Menschen, der höchste Achtung vor dem Leben und der Gesundheit des Mitmenschen hat.
Aus der ursprünglichen Selbstverteidigungskunst Karate wurde in den letzten Jahren ein äußerst vielseitiger Sport entwickelt, der im Wesentlichen aus drei Hauptelementen besteht:


Kihon (Grundschul-Training)

Der Anfänger in einem Karate-Dojo beginnt zunächst mit der Grundschule. Sie umfasst zahlreiche Abwehren, Faust- und Fußstöße, wobei besonderer Wert auf einen korrekten Stand, auf Gleichgewicht, Atmung und Treffgenauigkeit gelegt wird. Besonders wichtig ist eine Konzentration aller körperlichen und geistigen Kräfte, um ein Ziel in Sekundenbruchteilen anzugreifen. Man könnte es in etwa mit der Fähigkeit vergleichen, die ein Mensch „auf Abruf“ entwickeln kann, wenn er sich plötzlich in hoher Gefahr sieht – beispielsweise als Gefangener in einem brennenden Raum. Kräfte, die einem normalerweise nicht zur Verfügung stehen, werden frei und ermöglichen ihm, eine schwere Tür zu durchbrechen. Um ein Maximum an Schnelligkeit zu erzielen, wird der zuschlagende Teil des Körpers entspannt gehalten – bis unmittelbar vor dem Auftreffen. Dann jedoch spannt sich der gesamte Körper, unterstützt vom Kiai (=Kampfschrei) des Karateka, der mittels Muskelspannung der unteren Bauchdecke entsteht. Es soll erreicht werden, dass eine vollkommene Einheit entsteht – über den korrekten Stand, Atmung, Timing des Muskelkraft-Einsatzes des gesamten Körpers bis zur Auftreff-Fläche – in größter Schnelligkeit und absoluter Treffgenauigkeit.

Kihon kann man einzeln oder in Gruppen durchführen. Wird es in der Gruppe durchgeführt, so findet es Unterstützung und Kontrolle durch ein inspirierendes Anfeuern, die Kommandos des Übungsleiters. Gute Kommandos sind etwas Gekonntes, sie erfordern Einfühlungsvermögen in die körperliche Verfassung der Gruppe. Zurückbleiben oder Zeichen von Ermüdung wird als Schwäche empfunden – man bemüht sich, unbedingt Schritt zu halten und erreicht dadurch eine beachtliche Steigerung und Festigkeit sowohl der Muskelkraft als auch des Willens.


Kata (vorgeschriebene Kombination) festgelegte Form

Bis vor nicht allzu langer Zeit wurden alle Kampftechniken mündlich überliefert oder durch persönliche Anleitung weitergegeben. Es existierten nur sehr wenige Bücher über Karate. Ein Mittel, um sich die Techniken einzuprägen, wenn kein Lehrer dabei war, war das Üben in festliegender Reihenfolge von Grundabwehren und – Angriffstechniken. Äußerlich stellt die Kata einen Scheinkampf gegenüber mehreren Angreifern dar, die sich aus verschiedenen Richtungen nähern. Die Kata gleicht einem fremdartigen, faszinierenden Trainingstanz.

Im Gegensatz zum Tanz ist der Zweck jedoch nicht die Ästhetik, als vielmehr Härte und Nutzanwendung für den Kampf. Jede Bewegung hat ihre festliegende Bedeutung, und in jeder Folge liegt die Erfahrung zahlreicher großer Meister. Es gibt etwa 40 Kata. Das Kata-Studium verlangt größte Disziplin, und so mancher Karateka wählt deshalb lieber das Jiyu-Kumite, den freien Kampf. Ein guter Karateka wird allerdings zunächst sein Kata-Trainjng perfektionieren, bevor er sich auf den freien Kampf konzentriert. Um Selbstkontrolle und Exaktheit zu erreichen, beginnt der Anfänger die Kata sehr behutsam und langsam. Der Experte erweitert sie durch ein Maximum an Dynamik und Schnelligkeit. Er wird sich völlig der Kata hingeben und sie zu einem Ausdrucksmittel seiner eigenen Persönlichkeit machen. Die Schönheit der Kata liegt im Zutagetreten von Kampfgeist, Geschmeidigkeit der Bewegungen und Rationalisierung der Aktionen.


Die Kriterien zur Bewertung der Kata sind:
• richtiger Ablauf der Kata
• Kontrolle der Kraft und der Spannung (Kime)
• richtiger Rhythmus und Geschwindigkeit
• genaue Bewegungsrichtung
• Ausdruck der besonderen Elemente der Kata
• Stärke der Techniken
• Haltung und Kampfgeist
• Bei Mannschaftskämpfen der synchrone Ablauf
• Ausgangs- und Zielpunkt einer Kata müssen übereinstimmen.


Jiyu-Kumite (freier Kampf)

Der freie Kampf ist zweifelsohne die populärste und aufregendste Form des Karate. Er findet als Zweikampf statt, der in alter Zeit oft in tödlicher Niederlage endete – in Hongkong wurden derartige Kämpfe erst im vorigen Jahrhundert offiziell verboten.

Die Japaner haben nicht nur die Techniken ausgebaut und verfeinert, sie schufen auch die Voraussetzungen, dass aus dem ursprünglich potentiell tödlichen Nahkampf ein Sport wurde. Feste Kampfregeln und strikte Disziplin der Kämpfer machen faire Wettkämpfe möglich. Im Jiyu-Kumite kann der Karateka alles anwenden und zeigen, was er gelernt hat. Die Bedingungen sind äußerst realistisch, und man kann von einer höchsten Steigerung sämtlicher Aspekte des Karate sprechen.

Turniere werden durch einen Kampfrichter kontrolliert, der sich frei auf der Kampffläche bewegt. Zur Unterstützung bedient er sich weiterer 4 Seitenrichter, die sich in jeder der vier Ecken des Kampfquadrates aufhalten. Wettkämpfe gehen gewöhnlich über 2 bis 3 Minuten, abzüglich der Zeit für Unterbrechungen. Vor einem Kampf verbeugen sich die Kämpfer im Stand, dann gibt der Kampfrichter das Zeichen zum Start („Hajime“). In mancher Beziehung gleicht das Kumite dem Boxkampf, wobei jedoch die Angriffe vor dem Aufprall gestoppt werden. Da keine Handschuhe angelegt werden, und da man sämtliche Gliedmaße in Angriff und Abwehr benutzt, ist diese Maßnahme verständlich. Ein Beweiß guter Technik ist in der Tat die Fähigkeit, im Ziel abzustoppen. Den Gegner hart zu treffen würde zur Disqualifizierung führen. Die Kampfpraxis zeigt einen freien Austausch von Angriffen, Abwehren und Gegenangriffen, bis einer der Kämpfer einen vollen Treffer erzielen kann. Die Trefferregionen sind genau festgelegt. Wird ein Treffer in vorgeschriebener Haltung und richtiger Stellung, vorschriftsmäßiger Distanz und mit vollem Kampfgeist erzielt, so wird ein Punkt verliehen (Ippon), und der Kampf ist beendet. Fehlt dem Treffer eines der wesentlichen Momente, so wird oft ein halber Punkt (Waza-ari) gegeben, falls die tatsächliche Wirksamkeit außer Frage steht. Der Kampf wird dann fortgesetzt, bis die Zeit abgelaufen ist oder einer der beiden Kämpfer durch einen zweiten halben Punkt einen vollen Punkt erreicht hat.
 

Kriterien zur Ippon-Wertung:
Die Zielregionen für eine wertbare Technik sind begrenzt auf Kopf (einschließlich Nacken), seitlicher Hals, die Brust (vorn und seitlich, einschließlich Solarplexus, Rippen, Magen) und den Rücken (Rückgrat und Nieren). Die Bedingungen für Ippon sind u.a.:
saubere Technik, gute Haltung, starkes Kime, gutes Timing und korrekte Distanz.

Werden die Bedingungen für Ippon nicht erfüllt, besteht die Möglichkeit, den Angriff mit einem halben Punkt (Waza-ari) zu werten. Erzielt ein Kämpfer in einem Kampf zwei Waza-ari, so werden sie als (Awasete-) Ippon gewertet und der Kampf ist ebenfalls beendet.